Vorsicht Falle: Medizinprodukt oder nicht Medizinprodukt

Eine Einordnung.

Sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen und sind auch in ihrer Anwendung nahezu identisch. Wir sprechen hier von der ganzen Bandbreite des podologischen Instrumentariums, z.B. Zangen, Scheren, Fräsen und Fußpflegegeräte.
Die einen sind Medizinprodukte, die anderen nicht. Seit langem brodelt eine hitzige Diskussion darüber, ob es rechtlich erlaubt ist, auch „Nicht-Medizinprodukte“ bei der Behandlung von Patienten einzusetzen.

Gibt es denn überhaupt gravierende Unterschiede oder ist das alles nur unnütze Panikmache? Um es gleich vorweg zu nehmen, ja, diese Unterschiede gibt es und sie sind gravierender als es auf den ersten Blick erscheint.

Das eine sind Medizinprodukte, meist leicht erkennbar an dem angebrachten CE-Kennzeichen. Die Erlaubnis die CE-Kennzeichnung auf einem Produkt anzubringen erteilen die „Benannten Stellen“. Benannte Stellen sind staatliche akkreditierte Unternehmen, die hoheitliche Aufgaben übernehmen. Sie auditieren Medizinprodukte-Hersteller und prüfen deren technische Dokumentation auf Konformität mit den gesetzlichen Anforderungen.

 

CE-Kennzeichen mit Musternummer der Benannten Stelle

Alle anderen noch so ähnlichen Produkte, die diese Anforderungen nicht erfüllen sind keine Medizinprodukte. Im Streitfall konfrontieren sie den Anwender mit Regress- und Schadensersatzansprüchen.

Was muss der Praxisbetreiber beachten?

Hilfe und Klärung bieten dabei folgende Fragen für den Podologen oder die Podologin.

  1. Kann es bei dem Einsatz von „Nicht-Medizinprodukten“ Risiken für den Behandler oder Patienten geben?
  2. Wenn ja, welche?
  3. Mit welchen Konsequenzen daraus muss der Anwender rechnen?

Zunächst die scheinbar gute Nachricht.

  • Alle Instrumente oder Geräte die der Podologe die Podologin oder med. Fußpfleger bei der Behandlung ihrer Patienten einsetzen werden faktisch zum Medizinprodukt.

Damit scheint das Problem gelöst und es bleibt dem Behandler überlassen wofür er sich entscheidet.

Leider ein Trugschluss. Ohne Aufklärung und Einwilligung geht gar nichts.
Wollen Sie bei der Behandlung ihrer Patienten ein „Nicht-Medizinprodukt“ einsetzen, müssen Sie zuvor zwingend folgende Punkte ansprechen, abklären und dokumentieren.

Aufklärung § 630e BGB

Nach § 630e Absatz 2 Nummer 2 muss die Aufklärung

  • "…so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann.“

Der Patient muss vorher umfassend aufgeklärt werden, dass Sie ein Nicht-Medizinprodukt bei seiner Behandlung einsetzen wollen, dass keine Konformität mit den gesetzlichen Anforderungen besitzt. In der Aufklärung müssen Sie alle sich daraus ergebenen Konsequenzen ansprechen.

  • Beispielsweise, den Punkt Hygienemanagement und dass eine validierte Instrumentenaufbereitung nach dem Einsatz am Patienten nicht möglich ist. Mit der Konsequenz, dass die Bestimmungen aus dem MPG (Medizinproduktegesetz) und der MPBtreibV (Medizinprodukte-Betreiberverordnung) nicht eingehalten werden können.

Einwilligung § 630d BGB

Mit der Regelung in § 630d Absatz 1 Satz 1 wird die Einwilligung nunmehr ausdrücklich auch als vertragliche Pflicht geregelt, die im Fall ihrer Verletzung zu vertraglichen Schadensersatzansprüchen führen kann:

  • Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt voraus, dass der Patient nach Maßgabe von § 630e Absatz 1 bis 4 aufgeklärt worden ist. Ohne diese Einwilligung kommt kein Behandlungsvertrag zustande.

Konsequenzen

  • Fehlender Behandlungsvertrag.

Ohne den Nachweis einer umfassenden Aufklärung mit allen Risiken & Konsequenzen fehlen die Voraussetzungen für den Behandlungsvertrag zwischen Podologe und Patient.

  • Körperverletzung

Fehlt die, möglichst schriftliche, Einwilligung des Patienten oder die umfassende Aufklärung und es kommt dennoch zur Behandlung, arbeiten Podologen und med. Fußpfleger juristisch im Bereich der Körperverletzung.

  • Keine Kassenabrechnung § 630a BGB

In Absatz 2 des § 630a stellt der Gesetzgeber klar, welche Behandlungsqualität der Behandler aus dem Behandlungsvertrag schuldet. Dort heißt es u.a.:

  • „Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen."

Die Behandlung mit „Nicht-Medizinprodukten“ stellt keinen anerkannten fachlichen Standard da. Ein Behandlungsvertrag ist in aller Regel nicht zustande gekommen.
Ohne diesen Vertrag sind die Kassen nicht zur Leistung verpflichtet.

 

Fazit

Es liegt in Ihrer Hand ob Sie das Risiko einer Patientenbehandlung mit „Nicht-Medizinprodukten“ eingehen wollen. Empfehlenswert ist diese Behandlung nicht. Geben Sie die Verantwortung an die Hersteller und Händler zurück. Klären Sie vorher, ob es sich bei dem von Ihnen verwendeten Instrument oder Gerät tatsächlich um ein Medizinprodukt handelt und bestehen Sie zu Ihrer Sicherheit auf Ihrem Recht. Sie sind der Alleinverantwortliche, dass die gesetzlichen Bestimmungen in Ihrer Praxis umgesetzt werden, unabhängig davon was Ihnen Hersteller oder Händler erzählen.